Ein guter Vater sein? Alles Banane!?
Alles Banane!?
Mein Sohn liebt Obst. Erdbeeren, ganze Äpfel, Bananen. Und ich liebe es, wenn das Kind viele Vitamine bekommt. Als Vater will man schließlich, dass es gesund ist – und bleibt.
„Willst du eine Banane?“, frage ich. „Ja!“, kommt freudestrahlend als Antwort.
Die Banane schälen, ihm in die Hand drücken und sich freuen, dass es dem Jungen schmeckt.
Besser als Süßigkeiten, denkt man sich.
Nur aufpassen beim Schälen der Banane. Sie ihm als ganzes Stück geben und nicht abgebrochen in zwei Hälften.
Ich mein das jetzt ernst. Aufpassen! Wirklich, wirklich vorsichtig sein. Ganz behutsam. Die Banane darf unter keinen Umständen abbrechen. Nein, nicht, niemals.
Standst du schon mal neben einem Feuerwehrwagen und die Sirene ging plötzlich los?
Glaub mir, du willst nicht, dass diese Banane abbricht.
Es gibt viele kleine und große Katastrophen im Leben eines Kindes. Es tut sich weh, es wird krank, es streitet sich mit anderen Kindern. Aber eine abgebrochene Banane ist eine Ober-Katastrophe.
Egal, wie perfekt ansonsten die Banane beschaffen ist. Ob sie die optimale Farbe hat, jegliche Fäden entfernt wurden, keine Druckstellen aufweist. Sie ist nicht mehr im ganzen Stück. Sie ist abgebrochen. Das ist die Mutter aller Katastrophen.
Das Schlimmste ist, wenn das die letzte Banane war und du kannst nicht schnell genug für Ersatz sorgen. Dann Gnade dir Gott.
Was kannst du machen?
Versuch jetzt nicht laut zu werden. Versuch auf keinen Fall laut zu werden! Das Kind kann lauter. Und wie es das kann!
Und du stehst da, in der einen Hand die Schale mit dem abgebrochenen Stück und in der anderen die restliche Banane, und versuchst Argumente zu bringen, wie: „Die Kinder in Afrika wären froh, wenn sie eine abgebrochene Banane zu essen hätten.“
Das interessiert in dem Augenblick keinen! Die Banane ist kaputt und du bist schuld.
Ihn ablenken mit einer Kinderüberraschung, lustigen YouTube-Videos oder einem anderen Obst? Vergiss es! Du lebst in einer Traumwelt.
Nein, du kannst auch nicht beide Teile zusammen halten und deinem Kind erzählen, dass die Banane nicht abgebrochen ist und es füttern, oder andere Tricks anwenden. Lass es sein. So klug bist du nicht. Die merken das!
Du kannst zwar einen Doktor-Titel in Physik haben, aber wir reden hier von einem Kind, das keine abgebrochene Banane will. Das ist eine ganz andere Liga.
Eine Banane ist nichts, was man wieder zusammen kleben, löten oder schweißen kann. Das ist keine teure Vase, die du flickst oder das kaputte Display deines i-Phones, das du austauschst. Das ist eine verdammte Banane! Glaub ja nicht, dass ich nicht alles versucht hätte.
Es gibt nur einen Weg
Kein Obst ist auch keine Lösung. Also konzentrier dich. Du hast nur diese eine Chance. Stell dir vor, du bist ein Chirurg oder ein Bombenentschärfer und Menschenleben stehen auf dem Spiel.
Mit spitzen Fingern oben am Stiel der Banane anfassen, mit dem Daumen der anderen Hand gegendrücken und vorsichtig Streifen für Streifen die Schale abziehen. Danach die Fäden entfernen und sie überreichen, als würde es sich dabei um hochexplosiven Sprengstoff handeln.
Wenn du das geschafft hast. Wenn! Und er greift sich die Banane, beißt genüsslich rein und sieht dich dabei mit leuchtenden Augen dankbar an, dann weißt du, dass die ganze Mühe, die Angst und das durchgeschwitzte Hemd es wert waren.
Jedenfalls deute ich sein Blick als Dankbarkeit. Könnte natürlich auch sein, dass mich mein Sohn ansieht und denkt: „Na, da hast du nochmal Glück gehabt, Freundchen.“
Sahin Karanlik
Dies ist ein Gastartikel von Sahin Karanlik